"Der lange Weg zurück!"

Reportage

Im Mai findet österreichweit die Dialogwoche Alkohol statt. Vermehrt wird in den Beratungsstellen auf die Volksdroge Nr. 1 aufmerksam gemacht. In Klagenfurt gibt es die städtische Beratungsstelle seit 1986 – anonym und kostenlos! Wir durften dadurch einen Klienten näher kennenlernen, der uns seine Geschichte erzählt hat.

Sigi hat uns seinen Weg aus der Alkoholsucht erzählt. Foto: SK

Sigi hat uns seinen Weg aus der Alkoholsucht erzählt. Foto: SK

Seit vielen Jahrzehnten bietet die Stadt Klagenfurt die Alkoholberatung an. Im Laufe der Jahre haben die Betreuer viele Klienten betreut, derzeit sind es rund 220 Personen, die regelmäßig zu Einzel- oder Gruppensitzungen kommen. Einer davon ist Sigi, der sich bereit erklärt hat, uns seine Geschichte zu erzählen. Der 70-jährige begrüßt uns mit einem sympathischen Lächeln und sprüht nur so vor Lebensfreude – kaum vorstellbar, dass derselbe Mann bis zu 20 Dosen Bier am Tag getrunken hat und 13-mal in die psychiatrische Abteilung im Klinikum eingeliefert wurde.

Sein Weg in die Sucht begann schleichend, wie so oft. Lebensverändernde Situationen wie Scheidung, Verlust des Arbeitsplatzes, falsches Umfeld, Depressionen – bei Sigi kam „vieles zusammen“, wie er uns erzählt. Zunächst nur ein paar Bierchen in Gesellschaft, später einige mehr, um einschlafen zu können und schließlich bestimmte der Gedanke „Habe ich genug Bier zuhause“ Sigis Alltag. „Ich habe jahrzehntelang bei der gleichen Firma gearbeitet, ehe ich meinen Job verloren habe, dazu kam die Scheidung. Mein Leben wurde auf den Kopf gestellt“, berichtet er. Durch den Alkoholkonsum war irgendwann auch der Führerschein weg.

„Ich musste immer mindesten 5 bis 6 Bier im Kühlschrank haben, damit ich überhaupt durch die Nacht gekommen bin.“
Sigi, 70 Jahre alt, Klient der Alkoholberatung

Dazu kamen Depressionen, insgesamt war er 13-mal im „Zentrum für seelische Gesundheit“ im Klinikum untergebracht, es folgten einige Versuche, abstinent zu werden, die aber scheiterten. „Die meisten unserer Klienten brauchen mehrere Anläufe, ein Drittel kämpft zudem mit Depressionen“, erzählt Mag. Josef Saliternig. Er ist seit vielen Jahren Suchtberater bei der Stadt und kennt Sigi seit über 15 Jahren. „Sigi ist einer unserer besten Multiplikatoren, die wir haben. Etliche Klienten, die erst am Anfang stehen, sehen bei ihm, wie es sein kann, wenn man abstinent bleibt“, freut sich Saliternig.

Nachdem er seinen Job verloren hatte, riet ihm das AMS zur Alkoholberatung zu gehen. „Bisher wusste ich gar nicht, dass es so etwas überhaupt gibt“, berichtet er. Durch die Beratungsstelle kam Sigi in die Langzeittherapie, acht Monate war er in einem Therapiezentrum auf der Saualpe. Die Zeit auf der Alm tat ihm gut.

„Die Bewährungsprobe kommt, wenn die Therapie vorbei ist und man wieder in seinem Alltag ist. Tankstellen, Lokale etc., in denen Alkohol so einfach erhältlich ist, gibt es an jeder Ecke."
Mag. Josef Saliternig, Suchtberater

Wöchentlich ging Sigi zu Einzel- und Gruppengesprächen, um am Ball zu bleiben und nicht rückfällig zu werden. „Es war hart. Der Gedanke: `Ach nur ein Bier ist ja kein Problem´ kam sehr oft. Die Beratungsstelle hat mir enorm geholfen. Wenn es mir schlecht ging, bin ich einfach vorbeigekommen, hab einen Café getrunken und bin eine Stunde im Gruppenraum gesessen. Ich wusste, wenn ich Hilfe brauche, ist jemand da“, berichtet er. Gemeinsam mit seinem Suchtberater hat Sigi eine neue Wohnung gefunden und seinen Alltag neu ausgerichtet.

Während der Therapie hat er auch seinen alten Freundeskreis hinter sich gelassen und fing ganz von vorne an. Über die Kulturradpfade kam er zum ke-Theater, wo er 13 Jahre lang gearbeitet hat, neue Freunde und ein positives Umfeld gefunden hat. Heute ist Sigi in Pension, hilft aber noch immer gerne aus, wenn Not am Mann ist. Er liebt das Radfahren und die Natur, genießt sein Leben ohne Alkohol in vollen Zügen. „Heute kann ich gar nicht glauben, dass ich fast acht Jahre lang so ein Leben geführt habe“, sagt er nachdenklich. Er ist mittlerweile seit 15 Jahren trocken! Etwa einmal im Monat kommt er in die Alkoholberatung, spricht dort mit anderen Klienten in der Gruppentherapie. Mit Suchtberater Josef Saliternig verbindet ihn sehr viel: „Ohne Seppi wäre ich heute nicht mehr hier. Ebenso eine Krankenschwester aus dem Klinikum hat mir sehr geholfen. Diese zwei haben an mich geglaubt, mir gezeigt, dass ich ein wertvoller Mensch bin.“

„Wir haben geholfen, aber die entscheidenden Schritte hat Sigi aus eigener Kraft geschafft! Er ist ein so tolles Bespiel dafür, wie man seine Lebensqualität zurückgewinnen kann, wenn man nur den Willen dafür aufbringt. Jeder hat die Chance, das zu schaffen!“, bestätigt Saliternig.

Trotzdem ist es wichtig zu wissen, dass die Alkoholsucht eine lebenslange, chronische Erkrankung ist und bleibt. Eine Garantie für Heilung gibt es nicht, aber es gibt viele Menschen, die es schaffen, abstinent zu bleiben und ein zufriedenes, glückliches Leben führen.

„Weniger Alkohol, mehr vom Leben!“ – Sigi zeigt jeden Tag, wie es gehen kann!

 

Fakten

  • Die Alkoholberatung der Stadt Klagenfurt ist kostenlos und anonym!
  • Rund 220 Klienten kommen derzeit regelmäßig in die Alkoholberatung der Stadt Klagenfurt, zusätzlich sind rund 50 Angehörige mit in Betreuung
  • Die Klienten sind im Durchschnitt zwischen 40 und 70 Jahre alt und kommen aus allen gesellschaftlichen Schichten
  • 5 % der österreichischen Bevölkerung ist alkoholkrank
  • Gesundheitliche Begleiterscheinungen wie Lebererkrankungen oder Nervenschädigungen im Hirn sind bei jahrelangem Alkoholkonsum häufig
  • Nach zwei Jahren Abstinenz gelten Abhängige als stabil

Hier gehts zum Video: Facebook

Infos und Kontakt der Alkoholberatung