5 Fragen an... Katharina Herzmansky
1. Ende Juni 2025 wurde das Ingeborg-Bachmann-Haus in der Henselstraße 26 eröffnet und als Museum der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Sie sind als Kuratorin maßgeblich an der Gestaltung dieses Erinnerungsortes beteiligt. Was bedeutet Ihnen persönlich die Arbeit an diesem Haus – einem Ort, der nicht nur literarisches Erbe bewahrt, sondern auch emotionale und intellektuelle Zugänge zu Ingeborg Bachmanns Denken eröffnet? Und wie erleben Sie die Reaktionen der Besucherinnen und Besucher, die diesen Raum betreten?
Als Kuratorin im Ingeborg-Bachmann-Haus Klagenfurt tätig zu sein, bedeutet eine große Ehre, Freude und auch Verantwortung für mich. Es handelt sich, wie Sie ausführen, um einen Erinnerungsort, an dem das Vermächtnis der Ingeborg Bachmann, ihr Leben und Wirken, auf verschiedenen Ebenen – von emotionalen und sinnlichen Eindrücken bis hin zu intellektuellen Zugängen – vermittelt wird. Man darf nicht vergessen, dass Ingeborg Bachmann als eine der bedeutendsten Autorinnen und Autoren der deutschsprachigen und europäischen Literatur nach 1945 hier im Haus Henselstraße 26 als Jugendliche zu schreiben begonnen hat und dass sie in ihrem späteren Werk diesen Ort zum Ausgangspunkt einer literarischen Topographie genommen hat, die auf immer mit ihr verbunden ist. Diese Unmittelbarkeit des Ortes überträgt sich meines Erachtens nach auch auf unsere Besucherinnen und Besucher.
2. Welche kuratorischen Entscheidungen waren Ihnen bei der Konzeption und Umsetzung des Bachmann-Hauses besonders wichtig, um Ingeborg Bachmanns Leben und Werk nicht nur zu dokumentieren, sondern erfahrbar zu machen? Und wie gelingt es Ihnen, ihre Texte, Themen und Denkweisen für heutige Generationen lebendig zu halten?
Ganz wichtig war es im kuratorischen Team und auch auf Ebene der breit aufgestellten Steuerungsgruppe, die „Seele“ des Hauses zu erhalten. Diesem Ziel, den Ort einerseits in ein zeitgemäßes, modernes Literaturmuseum zu verwandeln und andererseits als Elternhaus der Ingeborg Bachmann – als jenes Haus, in dem sie die prägenden Jahre der Volkschul- und Gymnasialzeit verbracht hat – zu bewahren, wurde jede Einzelentscheidung untergeordnet. So haben wir uns beispielsweise dazu entschlossen, die schmale, ins Obergeschoss führende Stiege zu erhalten. Die Fassadenfarbe wurde in den ursprünglichen Farbton rückgeführt oder auch die Eingangstüren entlang ursprünglicher Entwürfe gestaltet. Beim Zubau des Vestibüls war es besonders wichtig, so luftig und transparent wie möglich zu sein, um einerseits die ursprüngliche rückwärtige Fassade zur Geltung zu bringen und andererseits das Haus mit einer modernen Setzung zu erweitern. Das ist denke ich, sehr gut gelungen, und die vielen positiven Rückmeldungen bestätigen das.
Was die Vermittlung der Literatur Ingeborg Bachmanns betrifft, so erfahren wir immer wieder, wie relevant die Texte auch heute sind. In der Reihe „Bachmann lesen, Bachmann hören“, in der wir uns einmal im Monat zur gemeinsamen Lektüre und zum Austausch darüber zusammensetzen, staune ich immer, wie stark die Reaktionen auf die Texte sind und auf wie vielen Ebenen Ingeborg Bachmann ihre heutigen Leserinnen und Leser erreicht. Zugänge für junge Menschen können dabei insbesondere über das sog. „Kriegstagebuch“ oder Erzählungen wie „Jugend in einer österreichischen Stadt“ oder auch „Das dreißigste Jahr“ erfolgen, wobei in die unmittelbare Umgebung eigebettete Formate eine besondere Wirkung erzielen.
3. Ingeborg Bachmann gilt als eine der bedeutendsten literarischen Stimmen des 20. Jahrhunderts – und dennoch bleiben manche Aspekte ihres Lebens und Denkens bis heute im Schatten ihrer bekannten Werke. Welche Facetten ihrer Biografie oder ihrer intellektuellen Haltung erscheinen Ihnen persönlich besonders unterschätzt oder wenig bekannt? Und welche Objekte, Dokumente oder räumlichen Details im Ingeborg-Bachmann-Haus nehmen für Sie einen besonderen Stellenwert ein – sei es aufgrund ihrer emotionalen Wirkung, ihrer historischen Bedeutung oder ihrer literarischen Tiefe?
Was mich im Zusammenhang immer neuer, v.a. durch die Editionen der Salzburger Bachmann-Ausgabe zutage tretender Forschungsergebnisse berührt, ist die moralische Haltung und Stärke Ingeborg Bachmanns, inklusive ihrer Stärke, auch Schwäche zuzulassen und auch wenigen bestimmten Menschen gegenüber zu zeigen. Dass jemand, der aufgrund jugendlicher Kriegseindrücke, späterer Beziehungszusammenhänge und einer schweren Suchterkrankung maximalen Schmerz und maximale Abgründe erfahren hat, immer wieder im Schreiben und durch das Schreiben sich aufzurichten versucht, sich auch aufrichtet und zu hoffen vermag, ist dabei der stärkste Eindruck.
Durch bestimmte Objekte der Sammlung bzw. der Ausstellung können zudem einzelne Aspekte der Lebens- und Werkgeschichte gleichsam untermauert werden. Da ist zum Beispiel der Brautkasten aus dem Gailtal, den Ingeborg Bachmann als einziges Möbelstück aus dem elterlichen bzw. väterlichen Besitz sozusagen haben wollte und auch bereits zu Lebzeiten bekommen hat – eine doch erstaunliche Wahl für eine Frau, die von der Ehe gesagt hat, dass sie eine unmögliche Institution sei (lacht). Wenn man das Möbelstück jedoch genauer betrachtet, so fällt eine Inschrift auf, in der die aus dem Haus ausziehende junge Braut um göttlichen Schutz bittet. Und auch das Evangelische Gebetsbuch aus dem Familienbesitz, das Ingeborg Bachmann ebenfalls besonders wichtig war, unterstreicht die Bedeutung, die sie familiären Wurzeln und Traditionszusammenhängen, auch im Sinn von Überlieferungen, beigemessen hat. Die besondere Bedeutung dieser und anderer Stücke erschließt sich dabei stets im Zusammenhang des literarischen Werks. Diese Wechselwirkung zwischen der realen und der literarischen Ebene verleiht den Objekten gleichsam eine zusätzliche Aura.
4. Sie kennen die verschiedenen Bereiche der Literaturwelt aus Forschung, Organisation und Kritik sehr genau und arbeiten nun seit über 10 Jahren in der Kulturabteilung des Landes im Fachbereich Literatur. Was hat Sie ursprünglich zu diesem Aufgabenbereich hingezogen und welche persönlichen Erfahrungen oder prägenden Momente haben Ihre Begeisterung für Literatur in jungen Jahren geweckt?
Die Liebe zur Literatur habe ich eigentlich meiner Mutter zu verdanken. Sie hat als Arnoldsteiner Gastwirtstochter Germanistik und Anglistik studiert, den Beruf aufgrund vieler Betreuungspflichten aber nur kurz ausgeübt. Einmal, ich dürfte ca. 12 oder 13 Jahre alt gewesen sein, hat sie mich sozusagen eingepackt und zu einer Lesung von Barbara Frischmuth mitgenommen, die im Rahmen der Kontaktna leča/Kontaktlinse am Slowenischen Gymnasium in Klagenfurt aus ihrem Text, ich glaube, er hieß „Pferdefrau“, gelesen hat. Die Lesung und der Text haben mir ein unglaubliches Gefühl von Kraft und auch Freiheit vermittelt. Und etwas später hat mich eine Cousine zu einer Lesung von Bernhard C. Bünker im damaligen „Bierjokl/Pri Joklnu“, ebenfalls in Klagenfurt, mitgenommen, und auch das war ein bleibender Eindruck. Gelesen habe ich als Jugendliche zunächst Christine Nöstlinger, bald darauf Christine Lavant, meine Mutter besaß die Erzählungen „Das Kind“ und „Die Rosenkugel“, und danach kamen Thomas Bernhard und auch schon „Malina“ …
5. Stellen Sie sich vor, Ingeborg Bachmann käme heute als Besucherin ins Museum – was würden Sie ihr zeigen, was würden Sie sie fragen, und was glauben Sie, würde sie Ihnen sagen?
Mir würde die Luft wegbleiben. Ich glaube, ich würde Ingeborg Bachmann sich die Ausstellung alleine ansehen lassen, sich in Ruhe im Haus umsehen lassen, mich jedoch in Reichweite aufhalten, und ich hoffe, ich würde da sein, wenn sie mich ruft.
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