5 Fragen an... Univ.-Prof. Dr. Anna Schober-de Graaf

Institutsabteilungsleiterin (IFK - Abteilung Visuelle Kultur) der Universität Klagenfurt

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FC: Brigitte Rumpf

1.    Was bedeutet für Sie der Begriff ‚Visuelle Kultur‘ in Ihrem wissenschaftlichen Verständnis, und welche zentralen Aufgaben verfolgt die Abteilung für Visuelle Kultur an der Universität Klagenfurt in Forschung und Lehre?
Das Besondere an ‚Visueller Kultur‘ ist, dass sie bildende Kunst und visuelle Populärkultur umfasst und auch eine Auseinandersetzung mit Wahrnehmung und ihrer Geschichte, dem Blickregime und Praktiken des Visuellen beinhaltet. Ein zentraler Schwerpunkt unserer Arbeit ist das Verhältnis von Bildmedien und Öffentlichkeit. Dazu zählt die Beschäftigung mit Foren des Visuellen wie Museen, Ausstellungen oder Filmfestivals; aber auch die Analyse politischer Inszenierungen – etwa in Form von politischer Werbung, Protestkultur oder gesellschaftskritischen Filmen. Wir untersuchen Bildwelten zudem als Ausdruck und Agenten von Globalisierung, was Welterweiterung und kulturelle Enteignung beinhalten kann – manchmal sogar gleichzeitig. 

2.    Wie verändert sich die visuelle Kultur im Zeitalter von TikTok, Instagram und KI-generierten Bildern und welche Auswirkungen hat dieser – vor allem durch die künstliche Intelligenz beschleunigte – Paradigmenwechsel auf gesellschaftliche Normen und Identitäten? 
Bildmedien sind heute zentrale Agenten der Vermittlung: zwischen unterschiedlichen Akteuren und Akteurinnen, Netzwerken und zwischen dem privaten Raum und dem öffentlichen Raum. Sie übernehmen dabei gegenwärtig eine prononciert ambivalente Rolle; d.h. sie schüren Begehren – zum Beispiel nach einen anderen, bessern Leben oder neuen Modellen, sich selbst auszuleben. Sie ermöglichen und vervielfältigen Akte der Anschlusskommunikation, vertiefen aber unter Umständen auch Hass und Ressentiments, was mit einem von ihnen beförderten Sich-Vergleichen zu tun hat. Sie tragen so zu vermehrter, rascheren und größere Kreise ziehenden Vernetzung, aber auch zur Polarisierung der Gesellschaft bei. Eine wichtige Aufgabe von uns ist, zum Verständnis von solchen Prozessen und der Rolle von Bildern in ihnen beizutragen. In Bezug auf KI zirkulieren derzeit viele Mythen; auch hier gilt es, diese bewusst zu machen, etwa indem aufgezeigt wird, dass sehr wohl Menschen in das Kategorisieren und Generieren von Bildern involviert sind, d.h. nicht alles automatisiert abläuft. Wichtig ist auch zu thematisieren, dass KI- generierte Programme Potenziale und Gefahren für das Gemeinwesen bergen und uns darüber zu verständigen, in welcher Weise wir wünschen, dass sie zum Einsatz kommen – derzeit wird uns diese Diskussion von großen Anbietern und Plattformen aus der Hand genommen.

3.    In einer zunehmend bilddominierten Medienlandschaft: Welche Rolle spielt die visuelle Kultur für die Entwicklung von Medienkompetenz, und wie kann sie dazu beitragen, kritisches Sehen und Verstehen zu fördern? 
Bilder können momenthaft Einsicht und Evidenz erzeugen – das ist mit dem Sprichwort „ein Bild sagt mehr als tausend Worte“ gemeint. Wie dies geschieht ist oft nicht auf den ersten Blick verständlich oder einfach in Worte fassbar. So zeigen zum Beispiel künstlerische Bilder in der Weise wie sie zeigen auch was sie zeigen. Gesellschaftskritik wird in der Form von Montagen, Parodien bzw. grotesken oder absurden Darstellungsweisen oder durch betont realistische Stile ausgedrückt. Wie diese ästhetische Formensprachen entstehen und wirken, auf welche Traditionen sie zurückgehen und wie sie sich voneinander bzw. von dem was oft als „Mainstream“ bezeichnet wird unterscheiden wird von mir und meinem Team dargelegt und nachvollziehbar gemacht. Auf diese Weise arbeiten wir an der Vermittlung von „visueller Kompetenz“.  

4.    Wie lässt sich visuelle Kultur in einer Stadt wie Klagenfurt – mit ihrer literarischen Tradition, facettenreichen Kunstszene und bewegten Geschichte – nutzen, um Menschen für kulturelle Themen zu begeistern und den Blick für Neues zu schärfen?
Klagenfurt bietet bereits viel: Das Erbe von Künstlerinnen wie Maria Lassnig und Kiki Kogelnik, Museen und Galerien und eine vielfältige Kunstszene. In Bezug auf Fotografie stechen Initiativen wie der Raum für Fotografie oder interessante Ausstellungen in der Stadtgalerie heraus und in Zusammenhang mit Film das Volkskino und das Wulfenia Kino, die beide eine lange Geschichte alternativer Filmkultur und des Autorenkinos haben. Diese Traditionen könnten stärker bewusst gemacht und aktiv genutzt werden – beispielweise durch einen Fokus auch auf Film und Fotografie in Form von größeren Ausstellungen oder eines Festivals. Zu aktuellen gesellschaftlichen Fragen könnten verschiedene Orte stärker übergreifend bespielt werden. Der Hunger danach, den Blick zu schärfen, kommt wie so oft mit dem Essen, also mit dem Tun – was für ein diversifiziertes Einbeziehen verschiedenster Publikumsgruppen auf Augenhöhe spricht. Wichtig sind einzigartige, originelle Initiativen, die sowohl innerhalb Österreichs als auch ins benachbarte Ausland ausstrahlen und verführen, nach Klagenfurt zu kommen.

5.    Was möchten Sie Ihren Studierenden im Masterstudium „Visuelle Kultur“ besonders vermitteln und wie verbinden Sie Theorie und Praxis in Ihren Lehrveranstaltungen?
Ein Gemälde oder auch ein Film beinhaltet viele Elemente, die nicht alle intentional positioniert sind. In dieser Hinsicht ähneln Bildwelten dem Traum. Deshalb eignen sie sich so gut, um über sie auch in eine Auseinandersetzung mit der Welt und dem eigen Selbst und dessen Positionierung in ersterer zu führen. Wir können dabei Resonanz erfahren und neue Möglichkeiten erkennen – das erlebbar zu machen, ist mir ein wichtiges Anliegen. Theorie und Praxis stehen sich nicht so diametral gegenüber wie oft angenommen wird – wir sind alle in Praktiken des Sehens und Inszenierens eingebunden und thematisieren und verhandeln dies – theoretisieren also auch darüber. In meinen Lehrveranstaltungen werden einerseits kulturwissenschaftliche oder kunsthistorische Texte besprochen, um die eigene Argumentation dadurch zu nähren; andererseits gibt es mitunter auch explizite Umsetzungsteile – in Form einer Ausstellungs-Station, einer Filmreihe oder einer Intervention im öffentlichen Raum. 

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